Reflexion
Rolle der Erstsprache
Forschungsergebnisse zeigen klar, dass Bilingualismus einen signifikant positiven Einfluss auf kognitive Flexibilität, interkulturelle Kompetenze und Identitätsbildung hat. Bildungsprogramme, die der/den Erstsprache/n der Lernenden wertschätzend begegnen und sie als Lernressource fördern, bieten den effektivsten Ansatz zur Unterstützung der sozialen, kognitiven und schulischen Entwicklung Zweitsprachenlernender in der Unterrichts- und Bildungssprache. Jim Cummings (2000:39) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass “(…) in einer Sprache erworbenes konzeptuelles Wissen dazu beiträgt, Input in der anderen Sprache zu verstehen”.
Daher schließt ein effektiver Unterricht der Unterrichts- und Bildungssprache den Gebrauch anderer Sprachen im Unterricht nicht nur nicht aus, sondern es ist sogar dringend notwendig, den Lernenden den Wert ihrer Erstsprache/n immer wieder aufzuzeigen und ihnen zu vermitteln, dass sie beim Erlenernen weiterer Sprachen von Vorteil sein kann/können. Wird der Gebrauch der Erstsprache/n der Lernenden in den Lehrplan integriert, unterstützt er die schulische und intellektuelle Entwicklung der Lernenden und ermöglicht ihnen eine verbesserte Teilnahme an curricularen Aktivitäten und lässt sie gleichzeitig von ihren gesamten sprachlichen Ressourcen profitieren. Ein solches Vorgehen stärkt auch die kulturellen und sprachlichen Identitäten der Lernenden.
- Welche Rolle spielen in Ihrer Region andere Sprachen in der Unterrichtstradition der Unterrichts- und Bildungssprache?
- Besteht Ihrer Meinung nach Handlungsbedarf bezüglich dem Gebrauch anderer Sprachen?
Sehen Sie nun ein Video, in dem der zehnjährige Schüler Moises in seiner neuen Schule versucht, zu kommunizieren und dabei auf Schwierigkeiten stößt, weil es nur begrenzten Zugang zu seiner Erstsprache gibt. Beantworten Sie dann die untenstehenden Fragen.
- Wann/in welchen Situationen haben Sie andere Sprachen in Ihrem Untericht als Störung empfunden, in welchen Situationen haben Sie sie als Bereicherung erlebt?
- Wie können Lehrende der Unterrichts- und Bildungssprache stärker von den Erstsprachen ihrer Lernenden sowie von anderen sprachlichen Ressourcen profitieren?
Gleichzeitiger Erwerb von zwei oder mehreren Sprachen - Interferenzen
Das Vergleichen und Kontrastieren der Erst- und Zweitsprache ist ein natürlicher Bestandteil des Verstehensprozesses von Mustern und Ausdrücken. Lernende machen Fehler und vermischen Sprachen. Sie verwenden eine Sprache, um die andere besser zu verstehen. Dies ist ein notwendiger Entwicklungsprozess, um mehrsprachige Ressourcen kompetent zu nützen und zu kontrollieren.
Situationen, in denen Lernende typischer Weise ihre Erstsprachen verwenden:
- zum gemeinsamen Erklären, Planen und Strukturieren von Aufgaben
- um über Aspekte der L2 zu sprechen, die ihnen Schwierigkeiten bereiten
- für zwischenmenschliche Interaktionen
Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen
"Die Sprache eines Kindes in der Schule zu ignorieren heißt, das Kind selbst zu ignorieren." (J. Cummins)
In von sprachlicher und kultureller Diversität geprägten Klassen ist eine wertschätzende Haltung gegenüber den sprachlichen Kompetenzen aller Lernenden von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur eine bedeutende Rolle bei der Identitätsbildung spielen, sondern sich auch positiv auf den L2-Lernprozess auswirken. Das Einbeziehen der Sprachen und Kulturen aller Lernenden sollte daher ein grundlegendes Unterrichtsprinzip sein.
Didaktische Konzepte (plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen) entstanden zunächst im Kontext des Fremdsprachenunterrichts und wurden später für den Unterricht der Unterrichts- und Bildungssprache adaptiert. Diese didaktischen Konzepte umfassen mehr als eine Sprache und mehr als eine Kultur.
In den letzten 30 Jahren entstanden vier plurale Ansätze:
- Éveil aux langues-Ansatz
- Interkomprehension
- Interkulturelles Lernen
- Integrative Sprachedidaktik in unterschiedlichen gelernten Srpachen
(Vgl. Projekt CARAP/FREPA)